Adressbekanntgabe trotz Sperrung

Folgender fiktiver, aber aus verschiedenen Begebenheiten zusammengestellter Sachverhalt verdeutlicht die Problematik, mit welcher sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Einwohneramtes nicht selten konfrontiert sehen: Herr X wendet sich an das Einwohneramt mit der Bitte, ihm die aktuelle Adresse von Frau Y bekannt zu geben. Er habe noch eine Forderung aus einem gemeinsamen Mietvertrag gegenüber Frau Y – diese habe sich aber scheinbar in Luft aufgelöst und er könne ihre Adresse nirgendwo in Erfahrung bringen.

Gemäss § 30 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz darf die Einwohnerkontrolle einer privaten Person auf Gesuch hin Namen, Adresse und Geburtsdatum von einzelnen Personen bekanntgeben. Herr X hat also grundsätzlich das Recht, die Adresse von Frau Y zu erfahren. Hat Frau Y jedoch ihr Sperrrecht ausgeübt und die Bekanntgabe ihrer Daten sperren lassen, so ist die Bekanntgabe gemäss § 28 Abs. 3 IDG nur dann zulässig, wenn eine gesetzliche Verpflichtung zur Bekanntgabe besteht bzw. die Bekanntgabe zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe erforderlich ist oder wenn im Gesuch glaubhaft gemacht wird, dass die Daten zur Durchsetzung von Rechtsansprüchen erforderlich sind. Da Herr X ja bereits dargelegt hat, dass eine Forderung aus einem Mietvertrag gegenüber Frau Y bestehe, könnte grundsätzlich ein Fall von § 28 Abs. 3 lit. c IDG bejaht und die Datensperre durchbrochen werden.

Doch reicht das? Immerhin könnte Herr X lediglich «seinen Teil der Geschichte» erzählen. Besteht die behauptete Forderung überhaupt noch? Vielleicht hat Frau Y ihre Schuld längst bezahlt oder ein Gericht hat die Forderung abgewiesen. Vielleicht ist Herr X der Ex-Partner von Frau Y, der ihr nachstellt oder droht, ihr und den Kindern Gewalt anzutun; möglicherweise hat Frau Y genau deswegen ihr Sperrrecht ausgeübt. Lauter Hintergründe, welche das Einwohneramt nicht kennt und für seine «normale» Aufgabenerfüllung auch nicht zu kennen braucht. Das Einwohneramt kommt nur in den Besitz dieser Informationen, wenn es Frau Y fragt – aus dem Gesuch werden sie nicht hervorgehen.

Soll also die Durchbrechung einer Datensperre bewirkt werden, so muss zwingend der betroffenen Person, welche die Bekanntgabe ihrer Daten hat sperren lassen, das rechtliche Gehör gewährt werden. Vorher darf das Einwohneramt die Adressen nicht herausgeben – anders als z.B. Geld, das wieder zurückverlangt werden kann, sind Informationen, die einmal herausgegeben worden sind, nicht zurückzuholen. Telefonische Anfragen zu Adressen, welche gesperrt wurden, sind daher zwingend auf den schriftlichen Weg zu verweisen.

Ergebnis

Keine Durchbrechung der Bekanntgabesperre nach § 28 IDG ohne rechtliches Gehör der betroffenen Person.

Anmerkung

Dieser Fall ist ursprünglich mit Quellennachweisen im Tätigkeitsbericht 2009 publiziert (dort Fall 5, S. 28). Tätigkeitsbericht 2009

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