Psychiatrische Gerichtsgutachten für die IV

Wenn ein öffentliches Organ des Kantons Basel-Stadt ein Gutachten über eine bestimmte Person an ein anderes öffentliches Organ weitergibt, dann handelt es sich um ein Bearbeiten von Personendaten. Darauf findet das baselstädtische Informations- und Datenschutzgesetz Anwendung. Ein forensisch-psychiatrisches Gutachten enthält aber nicht nur Angaben zur Person wie Alter, Geschlecht usw., sondern insbesondere auch Angaben zum (psychischen und physischen) Gesundheitszustand, zur Tat und oft eine Rückfallprognose. Das sind nicht bloss «gewöhnliche» Personendaten, sondern besondere Personendaten.

Für das Bearbeiten – und als Unterfall des Bearbeitens: für das Bekanntgeben – von besonderen Personendaten gelten qualifizierte Voraussetzungen. Besondere Personendaten dürfen (u.a.) bekannt gegeben werden, wenn ein Gesetz (und nicht bloss eine Verordnung) dazu ausdrücklich verpflichtet oder ermächtigt oder dies zur Erfüllung einer in einem Gesetz (und nicht bloss in einer Verordnung) klar umschriebenen Aufgabe zwingend notwendig ist.

Die IV-Stelle Basel-Stadt kann sich für ihr Bekanntgabebegehren auf ein Bundesgesetz stützen. Art. 32 ATSG verpflichtet Behörden von Bund und Kantonen, auf schriftliche und begründete Anfrage einer Sozialversicherung hin diejenigen Daten bekannt zu geben, welche für die Festsetzung, Änderung oder Rückforderung von Leistungen erforderlich sind. Im vorliegenden Fall soll die IV-Stelle Basel-Stadt die Leistungen für die inhaftierte Person festsetzen, was klar unter die zitierte Bestimmung zu subsumieren ist.

Damit besteht die erforderliche formell-gesetzliche Grundlage, welche die Datenbekanntgabe kantonaler Behörden an die Sozialversicherungen vorsieht. Das Amt für Justizvollzug ist demnach verpflichtet, der IV-Stelle Basel-Stadt die erforderlichen Informationen mitzuteilen.

Das heisst nun allerdings keineswegs, dass das Amt für Justizvollzug der IV-Stelle einfach eine Kopie des Gutachtens schicken darf. Das Bundesgesetz spricht von « diejenigen Daten (...), welche für die Festsetzung, Änderung oder Rückforderung von Leistungen erforderlich sind». Auch das Informations- und Datenschutzgesetz verlangt, dass jedes Datenbearbeiten verhältnismässig sein muss. Verhältnismässig ist eine Datenbekanntgabe, wenn

  • die bekannt gegebenen Daten zur Zweckerreichung geeignet sind,
  • die bekannt gegebenen Daten zur Zweckerreichung erforderlich (bei besonderen Personendaten: zwingend notwendig) sind, d.h. wenn die Aufgabe ohne die Daten nicht erfüllt werden kann, und wenn
  • die Datenbekanntgabe der betroffenen Person zumutbar ist, d.h. wenn zwischen Zweck und Eingriff ein vernünftiges Verhältnis besteht.

Nicht alle im Gutachten enthaltenen besonderen Personendaten sind für die Aufgabenerfüllung der IV-Stelle, d.h. für die Festsetzung einer IV-Rente zwingend notwendig. Das Amt für Justizvollzug muss also, um verhältnismässig zu handeln, konkret abwägen, welche Informationen die IV-Stelle für diese Aufgabe benötigt. Dies kann dazu führen, dass grosse Teile des Gutachtens eingeschwärzt oder abgedeckt werden müssen. Der Datenschutzbeauftragte empfiehlt in solchen Fällen anzugeben, weshalb einzelne Passagen aus dem Gutachten nicht weitergegeben wurden (z.B. «Diese Passage enthält Informationen zum Tathergang»). Sollte der Empfänger oder die Empfängerin der Ansicht sein, dass gerade eine solche Information ebenfalls für die Festsetzung der Ansprüche notwendig sei, so kann sie dies begründen und eine Nachreichung verlangen.

Ergebnis

Für die Bekanntgabe von besonderen Personendaten braucht es eine gesetzliche Grundlage in einem Gesetz im formellen Sinn. Selbst wenn diese gegeben ist, dürfen aber nur diejenigen Informationen weitergegeben werden, welche das empfangende öffentliche Organ zur Aufgabenerfüllung konkret benötigt. Bei einem forensisch-psychiatrischen Gutachten, das an die IV-Stelle weitergegeben werden soll, weil es Angaben zur Festsetzung der IV-Rente der betroffenen Person benötigt, sind alle Angaben, welche genau für diesen Zweck nicht zwingend notwendig sind, abzudecken oder einzuschwärzen.

Anmerkung

Dieser Fall ist ursprünglich mit Quellennachweisen im Tätigkeitsbericht 2010 publiziert (dort Fall 5, S. 30). Tätigkeitsbericht 2010

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