Datenschutz-Basilisk (10): «Geht es nicht ein bisschen diskreter?»

Wir alle schätzen Diskretion. Vor allem in heiklen Situationen. Darum gibt es doch diese ‹Diskret-Linien›. Aber reicht es, dass die nächsten Kundinnen oder Kunden einfach einen Meter hintendran warten? Schallwellen pflanzen sich bekanntlich weiter fort ...

«Ich finde es gut, dass bei Schaltern immer häufiger eine ‹Diskret-Linie› eingeführt wird», meint Armin Casutt. «Ich hasse es, wenn mir der hintendran gerade über die Schulter in meine Papiere schaut! Auch wenn ich nichts zu verbergen habe – das finde ich so was von unangenehm.»

«Da hast du völlig recht», meint Ramona Gass, «aber die ‹Diskret-Linie› allein schafft noch lange keine Diskretion.»

«Stimmt», bestätigt Armin Casutt. «Meistens sind diese Linien so nahe, dass es nicht wirklich hilft.»

«Nein, ich meine nicht das. Nur die Distanz allein schafft keine Diskretion.»

«Wie meinst du das?»

Armin Casutt dreht sich schnell um – hinter ihm hat sich etwas bewegt. Oh – da sitzt der Datenschutz-Basilisk!

Stell dir vor …

«Stell dir vor», meint dieser, «du stehst am Schalter, wo du dein Auto einlösen willst, und die Dame am Schalter nebendran redet lauthals auf einen Kunden ein: ‹Nein, dieses Occasionsauto kann ich ihnen nicht einfach einlösen. Warum nicht? Weil es ausgeschrieben ist.› Ihr Kunde schaut verdutzt aus der Wäsche: ‹Ausgeschrieben – was heisst das?› ‹Es ist im Ripol ausgeschrieben. Nach ihm fahndet die Polizei!› ‹Aber ich habe doch ...›, stottert ihr Kunde.»

Armin Casutt kichert: «Das kann ich mir gut vorstellen – da wäre ich auch verdattert.»

Ramona Gass nimmt den Faden auf: «Ja vielleicht geht es dann noch weiter: Stell dir vor, die Dame am Schalter geht dann diesem Problem auf den Grund. Sie ruft jemanden an und fragt, was es mit dieser Ausschreibung auf sich hat. ‹Soso, das Auto wurde als gestohlen gemeldet? Das ist ja interessant! ... Ja, ich habe hier einen Herrn, der es einlösen will. Soll ich ihn gleich festhalten?›»

«Ok, das sehe ich ein. Aber so eine Situation gibt es ja nicht überall.»

Ramona Gass kommt in Fahrt: «Oh, da könnte ich mir noch viele ausdenken. Stell dir vor, du stehst an der Anmeldung in einem Spital und bekommst mit, wie die Dame am Schalter nebendran laut telefoniert: ‹Guten Abend, Herr Füglistaller. Was sagen Sie? Ihre Frau hat versucht, sich das Leben zu nehmen?!›»

«Jetzt erfindet ihr aber schöne Geschichten! Wie soll ich wissen, wer Herr Füglistaller ist?», wirft Armin Casutt ein.

«Und wenn sie weitertelefoniert: ‹Und wo ist sie jetzt? ... Bei Ihnen zuhause? An der Hagenbachstrasse?› – wieviel Füglistallers gibt es an dieser Strasse?», fragt ihn der Datenschutz-Basilisk.

Stimmt!

«Stimmt – die betroffene Person muss nicht neben mir stehen, damit ich herausfinden kann, wer es ist. Aber zum Glück gibt es diese Situationen ja nicht wirklich, oder? Ihr beide habt das alles erfunden?»

«Bist du sicher, dass so etwas nicht geschieht? Ich meine ja nicht, dass die beiden Damen am Schalter oder am Telefon die Leute blossstellen wollen – aber blossgestellt sind sie auch ohne Absicht!»

Armin Casutt überlegt: «Und was würdet ihr jetzt tun, wenn ihr Zeugen wärt, wenn eure Kollegin sich derart indiskret verhält? Wenn euer Kunde euch etwa fragt, ob das hier immer so laut zu- und hergehe?»

«Also zuerst würde ich meiner Kollegin irgendwie klar machen, dass es Leute gibt, die das nicht hören sollten», meint Ramona Gass. «Wenn sie es nicht selber merkt, muss ihr vielleicht jemand sagen, dass das so nicht geht. Und schliesslich müsste man sich auch überlegen, ob offene Schalter wirklich für alle Geschäfte geeignet sind.»

«Und ich würde vielleicht das Thema Diskretion in der nächsten Teamsitzung mal ansprechen», wirft Armin Casutt ein. «Eine ‹Diskret-Linie› löst das Problem tatsächlich nicht allein. Aber sagt nochmals: Ihr habt diese Situationen alle erfunden?»

Ramona Gass und der Datenschutz-Basilisk schauen sich an und schmunzeln: «Die Personen und die Orte sind selbstverständlich erfunden, aber ...».