Gefährdungsmeldung und Berufsgeheimnis

Eine Person mit Lehrbefugnis ist zur Behandlung per FFE (fürsorgerischer Freiheitsentzug, seit 1.1.2013: fürsorgerische Unterbringung nach Art. 426 ff. ZGB) in den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) eingewiesen und soll nun als «Springerin» bzw. «Springer» unterrichten können. Was können die Betreuenden unternehmen, wenn sie daran zweifeln, dass das gut gehen kann?

Eine Person (A.) wurde vorerst per FFE (fürsorgerischer Freiheitsentzug; seit 1.1.2013: fürsorgerische Unterbringung nach Art. 426 ff. ZGB) zur Begutachtung, drei Monate später zur Behandlung in die Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) eingewiesen. Sie leidet unter einer Psychose (aus dem Formenkreis der Schizophrenie) mit Auftreten von Zwängen, ist unauffällig, solange sie die Medikamente regelmässig nimmt, was aber nicht immer der Fall ist.
A. besitzt die Lehrbefugnis. Im Rahmen der Behandlung hat sie die Frage gestellt, ob sie sich auf Lehrstellen bewerben solle, was von den Betreuenden im Sinne der Perspektiven-Schaffung bejaht wurde. Sie hat – ohne Vorstellungsgespräch – in einer Primarschule kurzfristig eine Anstellung erhalten als Lehrperson («Springerin» oder «Springer»). Die Betreuenden haben Bedenken; es könne vielleicht gut gehen – was aber, wenn eine Psychose ausgelöst wird? Damit stellt sich die Frage: Darf die UPK die Schulbehörden informieren, damit diese die notwendige Risikoeinschätzung vornehmen und allenfalls Massnahmen zur Risikoverminderung (von Nichteinsatz bis zu begleitetem oder beaufsichtigtem Einsatz usw.) treffen können? Dafür gibt es zwei Wege:

Erster Weg: Die Betreuenden in der UPK versuchen im Gespräch, A. entweder dazu zu bewegen, die Schulbehörden von sich aus zu informieren oder die Betreuenden vom Berufsgeheimnis zu entbinden. Sie können ihr Bemühen auch begründen: Wenn sich – selbst bei erfolgreichen ersten Einsätzen – dereinst einmal herausstellt, dass A. ihre gesundheitlichen Probleme, die u.U. ihre Eignung in Frage stellen, verheimlicht hat, gefährdet dies unweigerlich die langfristige Anstellung. Im Sinne der Transparenz sollen die Betreuenden A. darauf hinweisen, dass sie sich, wenn A. nicht einwilligt, vom Berufsgeheimnis entbinden lassen müssen, weil sie nicht verantworten können, dass A. diesen Einsatz leistet, ohne dass die Anstellungsbehörde die konkreten Umstände kennt. Der konkrete Fall konnte auf diese Weise gelöst werden, weil A. von sich aus auf die Stelle verzichtet hat. Es hat sich im Übrigen bei der Schule, welche A. ohne Vorstellungsgespräch anstellen wollte, nicht um eine Basler Schule gehandelt. Der Datenschutzbeauftragte hat in der Folge die entsprechenden Aufsichtsbehörden involviert.

Zweiter Weg: Die Betreuenden der UPK lassen sich durch das Gesundheitsdepartement vom Berufsgeheimnis entbinden und informieren die zuständigen Schulbehörden. Voraussetzung dafür ist, dass die UPK es nicht verantworten kann, dass A. diesen Einsatz leistet, ohne dass die Anstellungsbehörde die konkreten Umstände kennt und mindestens durch geeignete Massnahmen das Risiko mindern kann. Offen bleibt die Frage, ob sich die UPK vom Berufsgeheimnis entbinden lassen darf oder muss – m.a.W. ob ihre Schutzpflicht gegenüber A. und möglicherweise auch gegenüber allfällig durch A. Gefährdeten zu einer Meldepflicht führt oder nur zu einem Melderecht, das gegenüber allfällig entgegenstehenden Interessen an einer erfolgreichen Behandlung von A. abgewogen werden muss. Je nach der Schwere der Gefährdung ist u.E. von einer Meldepflicht auszugehen.

Ergebnis

Wenn eine Schutzpflicht und ein Berufsgeheimnis (oder Amtsgeheimnis) kollidieren, kann sich eine Behörde durch die betroffene Person oder durch zuständige (oder vorgesetzte) Behörde vom Geheimnis entbinden lassen.

Anmerkung

Dieser Fall ist mit Quellennachweisen im Tätigkeitsbericht 2012 publiziert (dort Fall 1, S. 34). Tätigkeitsbericht 2012

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