Das «psychische Leiden» im Bericht des Vertrauensarztes

Nach dem Personalgesetz dürfen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden zur Untersuchung beim Vertrauensärztlichen Dienst (VAD) anmelden. Was darf nun als Resultat aus dieser Untersuchung an den Personaldienst (heute: Human Resources, HR) zurückfliessen? Die Mitteilung der Untersuchungsergebnisse (mithin Angaben über die Gesundheit) durch den VAD an den Personaldienst (heute: Human Resources, HR) stellt datenschutzrechtlich eine Bekanntgabe von besonderen Personendaten dar. Solche Daten darf das öffentliche Organ bekannt geben, wenn a) ein Gesetz dazu ausdrücklich verpflichtet oder ermächtigt (sog. unmittelbare gesetzliche Grundlage) oder b) dies zur Erfüllung einer in einem Gesetz klar umschriebenen Aufgabe zwingend notwendig ist (sog. mittelbare gesetzliche Grundlage) oder c) im Einzelfall die betroffene Person ausdrücklich zugestimmt hat oder, falls sie dazu nicht in der Lage ist, die Bekanntgabe in ihrem Interesse liegt und ihre Zustimmung in guten Treuen vorausgesetzt werden darf.

Das Personalgesetz sagt nicht, welche Informationen vom VAD zurückfliessen dürfen, und stellt damit bestenfalls eine mittelbare gesetzliche Grundlage dar, welche lediglich die Mitteilung erlaubt, dass sich die Feststellungen des VAD mit jenen des ursprünglichen ärztlichen Zeugnisses decken oder dass der VAD bezüglich Tatsache, Dauer oder Grad der Arbeitsunfähigkeit zu einem abweichenden Ergebnis gekommen ist. Mehr Angaben braucht die vorgesetzte Stelle i.d.R. auch nicht, um ihre Aufgaben erfüllen und die notwendigen Entscheide bezüglich der erkrankten oder verunfallten Person treffen zu können. Keinesfalls erfasst ist die Bekanntgabe von Diagnose oder Befunden, da dies sehr schwerwiegend in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen eingreift.

Auskünfte über den genannten Bereich hinaus bedürfen der Einwilligung der betroffenen Person, welche vorgängig aufzuklären ist (informed consent). Im konkreten Zusammenhang ist dies gleichzeitig eine Entbindung vom ärztlichen Berufsgeheimnis. Die Einwilligung gilt nur, wenn sie freiwillig erfolgt ist, was in Arbeitsverhältnissen aufgrund der faktischen Machtverhältnisse grundsätzlich als schwer zu erfüllen angesehen wird. Willigt die betroffene Person nicht in die Bekanntgabe der Informationen an ihre vorgesetzte Stelle ein, so ist dies zu respektieren und vom VAD dem Personaldienst (heute: Human Resources, HR) so mitzuteilen.
Im konkreten Fall war eine Einwilligung in Bezug auf Mitteilungen über das betroffene Organsystem oder die betroffene Körperregion eingeholt worden. Die Mitteilung einer Diagnose oder eines Befundes war dabei explizit ausgenommen. Dass der vorgesetzten Stelle nun mitgeteilt worden war, die betroffene Person sei aufgrund eines «psychischen Leidens» zu 100% arbeitsunfähig, wurde damit begründet, dass die «Psyche» quasi als Organ betrachtet werden könne und der Passus «psychisches Leiden» keineswegs einer Diagnose oder einem Befund entspreche.

Die Argumentation des VAD vermag nicht zu überzeugen: Obgleich der Hinweis, jemand habe ein «psychisches Leiden» aus medizinisch-fachlicher Sicht keine Diagnose ist, wird diese Aussage in der Laien-sphäre durchaus als (grobe) Diagnose interpretiert. Damit ist diese Information jedoch weder von der gesetzlichen Grundlage des § 21 PG noch von der eingeholten Einwilligung der betroffenen Person erfasst. Die Mitteilung des VAD an die zuständige Personalstelle, ein(e) Mitarbeitende habe ein «psychisches Leiden», erscheint somit als unzulässige Datenbekanntgabe.

Ergebnis

Die Bekanntgabe besonderer Personendaten, wie sie bei Abklärungen des Vertrauensärztlichen Dienstes anfallen, bedarf entweder einer formellgesetzlichen (mittelbaren oder unmittelbaren) Grundlage oder aber der Einwilligung der betroffenen Person. Damit diese rechtsgültig einwilligen kann, muss der mögliche Inhalt der Mitteilung an den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin klar umschrieben sein: Auch Angaben, die aus medizinisch-fachlicher Sicht weder Diagnose noch Befund sind, können besondere Personendaten enthalten bzw. Laien zu persönlichkeitsverletzenden (Fehl-)Schlüssen veranlassen. Der VAD hat diesen Fall zum Anlass genommen, seine Einwilligungserklärung gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten zu überarbeiten.

Anmerkung

Dieser Fall ist mit Quellennachweisen im Tätigkeitsbericht 2011 publiziert (dort Fall 6, S. 31). Tätigkeitsbericht 2011

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