Der Pöstler mit dem offenen Zahlungsbefehl

Die Zustellung von Zahlungsbefehlen ist im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) geregelt: «Die Zustellung geschieht durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder durch die Post». Das Gesetz favorisiert keine dieser Zustellungsarten, folglich ist es den Betreibungsämtern freigestellt, nach welcher Variante sie vorgehen möchten.

Im Kanton Basel-Stadt ist es langjährige und gängige Praxis, dass die ersten Zustellungsversuche von der Post vorgenommen werden. Da der Postbote auf jeweils zwei Ausführungen des Zahlungsbefehls bescheinigen muss, an wen und wann er zugestellt hat, muss er diese offen übergeben. Der Postbote kann demnach also Kenntnis nehmen vom Inhalt der durch ihn zugestellten Zahlungsbefehle. Da er jedoch dem Amtsgeheimnis untersteht, muss er sämtliche während des Dienstes zur Kenntnis genommenen, nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Fakten vertraulich behandeln. Widerhandlungen gegen das Amtsgeheimnis können strafrechtlich verfolgt werden. Zusätzlich unterstehen die Postbeamten dem Postgeheimnis, welches die ungerechtfertigte Weitergabe von Angaben, die im Rahmen von Postdienstleistungen zur Kenntnis genommen wurden, mit Strafe bedroht. Diese Verpflichtungen wirken jeweils auch über das Ende des Anstellungsverhältnisses hinaus. Aus datenschutzrechtlicher Sicht kann deshalb nichts dagegen eingewendet werden, wenn das Betreibungsamt die Post die Betreibungsurkunden offen zustellen lässt.

Bleibt die Frage, wie es bei der offenen Zustellung von Vorladungen aussieht. Bei den Vorladungen handelt es sich um Zettel in grell-pinker Farbe, welche dem allfälligen Schuldner in den Briefkasten geworfen werden und ihn zur Abholung des Zahlungsbefehls beim Betreibungsamt auffordern. Für den Fall, dass der Zahlungsbefehl nicht abgeholt wird, wird mit einer Publikation im Amtsblatt gedroht. Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist das Einwerfen der offenen Vorladung in den Briefkasten des Schuldners zulässig. Die Vorladung dient der gesetzlichen Aufgabe des Betreibungsamtes, nämlich der Durchführung des Betreibungsverfahrens. Die Tatsache, dass die Vorladung ohne Couvert überbracht wird, rechtfertigt sich dadurch, dass die Farbe dem allfälligen Schuldner auffallen soll. Zudem soll dieser nachher nicht behaupten können, er habe die Vorladung übersehen, weil er den Umschlag nicht geöffnet habe. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass eine im selben Haushalt lebende Person beim Leeren des Briefkastens Kenntnis vom Inhalt des Zettels erhält; ist doch der Briefkasten eine Art Angebot des Schuldners, ihm auf diesem Weg eine Nachricht zukommen zu lassen. Auch Absender auf Briefen sind für jede Person lesbar, die den Briefkasten leeren kann. Sollte dies vom Schuldner nicht gewünscht sein, muss er in seiner Wohngemeinschaft entsprechende Vorkehrungen treffen. Was die Kenntnisnahme durch den Postboten betrifft, ist wiederum festzuhalten, dass er dem Amtsgeheimnis und dem Postgeheimnis untersteht. Eine offene Zustellung der Vorladung an einem anderen Ort als dem heimischen Briefkasten (z.B. am Arbeitsplatz) wäre aufgrund des Datenschutzes jedoch nicht zulässig; sie müsste durch eine Zustellung in einem verschlossenen Couvert ersetzt werden.

Ergebnis

Da der Postbote nach Bundesrecht auf zwei Exemplaren eines Zahlungsbefehls bescheinigen muss, an wen und wann er diesen zugestellt hat, und er darüber hinaus sowohl dem Amts- wie auch dem Postgeheimnis untersteht, ist die offene Zustellung datenschutzkonform. Ebenso ist das Einwerfen von offenen Vorladungen in den Briefkasten des Schuldners aus datenschutzrechtlicher Sicht zu rechtfertigen, denn die Vorladung dient der Durchführung des Betreibungsverfahrens und ist bei Einwurf in den heimischen Briefkasten des Schuldners auch verhältnismässig.

Anmerkung

Dieser Fall ist mit Quellennachweisen im Tätigkeitsbericht 2010 publiziert (dort Fall 4, S. 29). Tätigkeitsbericht 2010

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