Gefährlicher Paprika

Bei einer Lebensmittelkontrolle werden in Paprika krebserregende Stoffe (Mykotoxine) über dem Grenzwert festgestellt. Die Chargen und auch die bereits ausgelieferten Mengen des Produkts werden zurückgerufen, doch ist nicht auszuschliessen, dass bereits Teile der belasteten Produktgruppe an Konsumenten abgegeben worden sind. Muss die Bevölkerung darüber informiert/davor gewarnt werden?

In der Bevölkerung besteht in einem solchen Fall nicht nur ein Bedürfnis, über das Ergebnis der Untersuchung informiert zu werden, sondern auch zu erfahren, wo die beanstandeten Proben verkauft wurden und von welchem Hersteller sie stammen. Diesem Bedürfnis stehen die wirtschaftlichen Interessen der Hersteller und Verkäufer gegenüber. Sowohl dem Hersteller als auch dem Verkäufer kann nämlich im Einzelfall unter Umständen gar kein Fehlverhalten vorgeworfen werden, beide tragen aber bei einer namentlichen Publikation potentiell einen hohen Imageschaden davon. Es muss also abgewogen werden zwischen dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung und den wirtschaftlichen Interessen der Hersteller und Verkäufer.

Das Lebensmittelrecht ist auf Bundesebene geregelt, der Vollzug aber obliegt den Kantonen. Für das Bearbeiten von Personendaten durch die mit dem Vollzug betrauten kantonalen öffentlichen Organe gilt das jeweilige kantonale Datenschutzrecht. Sollen Daten bekannt gegeben werden, braucht es eine gesetzliche Grundlage, die in aller Regel im anwendbaren Fachrecht – hier also in der Lebensmittelgesetzgebung des Bundes – zu suchen ist. Auf der anderen Seite kann das Fachrecht aber auch einschränkende Regel enthalten, also besondere Geheimhaltungspflichten, welche die Bekanntgabe einschränken. Tatsächlich auferlegt das Lebensmittelgesetz des Bundes denjenigen Personen, die mit dem Gesetzesvollzug betraut sind, eine Schweigepflicht.

Die mit der Kontrolle betrauten Personen haben folglich nicht
das Recht, bei Fragen aus der Bevölkerung oder der Presse die Namen der Hersteller oder der Verkäufer von beanstandeten Produkten zu nennen. Hingegen besteht eine Informationspflicht seitens der Vollzugsbehörden, wenn gesundheitsgefährdende Lebensmittel an eine unbestimmte Anzahl von Konsumenten abgegeben wurden. Hier ist die Bevölkerung im Sinne einer Warnung zu informieren.

Im konkret zu beurteilenden Fall bestand das Problem darin, dass gar nicht bekannt war, ob überhaupt gesundheitsgefährdende Lebensmittel an Konsumenten abgegeben wurden; es bestand nur die Befürchtung. Dies spricht jedoch gerade nicht für eine gross angelegte Warnung der Bevölkerung. Zudem ist nicht klar, wie konkret die Gesundheitsgefährdung sein muss, um eine Warnung durch die Vollzugsorgan auslösen zu können. Handelt es sich beispielsweise um einen Schadstoff, welcher erst bei chronischem Verzehr zu Gesundheitsgefährdungen führt, müsste man wohl von einer Warnung absehen, da im Verhältnis zum Informationsinteresse der Bevölkerung, der Imageschaden für die Hersteller und Verkäufer überdurchschnittlich hoch wäre. Handelt es sich jedoch um einen Stoff, welcher schon beim ersten Verzehr zu erheblichen Gesundheitsschäden führt, dann ist eine Warnung sicher zu rechtfertigen, ja sogar geboten.

Ergebnis

Die Information der Bevölkerung vor gesundheitsgefährdenden Stoffen in Lebensmitteln ist im Lebensmittelgesetz des Bundes verankert. Die Tatsache, dass für die Vollzugsorgane grundsätzlich eine Schweigepflicht besteht und wenn möglich vor einer Warnung der Bevölkerung die Hersteller, Importeure, Verteiler oder Verkäufer sowie die Konsumentenorganisationen anzuhören sind, deutet daraufhin, dass nicht schon bei jeder potentiell ungesunden Belastung der Lebensmittel gewarnt werden muss, sondern dass nur Gesundheitsgefährdungen von einiger Intensität und auch nur, wenn entsprechende Produkte an Konsumentinnen und Konsumenten abgegeben wurden, eine Warnung auszulösen vermögen.

Anmerkung

Dieser Fall ist mit Quellennachweisen im Tätigkeitsbericht 2010 publiziert (dort Fall 3, S. 29). Tätigkeitsbericht 2010

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