Datenschutz-Basilisk (11): «Alles im Bild?»

Wenn der Chef (oder die Chefin) keine Lust mehr hat, in seinem (oder ihrem) Team «Sauereien» wie Diebstähle hinnehmen zu müssen, dann sind doch Videokameras eine gute Lösung. Oder nicht? Die Polizei darf ja auch …

«Hast du den neuesten Tätigkeitsbericht der Ombudsstelle gelesen? Da hat doch ein Teamleiter einen Pausenraum zu einem Liebesnest umfunktioniert! Es gibt nichts, was es nicht gibt!», sagt Simone Felber kopfschüttelnd.

«Hab ich gelesen», findet ihr Vorgesetzter Ronald Kempf, «fand ich interessant!»

«Interessant?! Wie kommst du darauf?», empört sich Simone Felber, «Sag nicht … du hast doch nicht etwa ein Verhältnis mit unserer Aushilfe?»

«Hallo!! Wo denkst du hin? Nein –ich meine ja auch nicht das französische Bett im Pausenraum, sondern die Kamera!», verteidigt sich Ronald Kempf.

«Aha», meint Simone Felber erleichtert – war sie wirklich erleichtert? Wenn sie ehrlich ist – aber sie verdrängt den Gedanken schnell wieder. «Was willst du denn mit einer Kamera?»

«Erinnerst du dich nicht? Sybille (es handelt sich um Sybille Perrig/die Redaktion) hat sich doch beklagt, es sei ihr schon wieder etwas vom Pult geklaut worden!»

«Und nun willst du ihr Pult filmen?»

 

Nur vier Kameras

«Wo denkst du hin? Es braucht nur vier Kameras, damit kann ich das ganze Grossraumbüro überwachen», legt ihr Ronald Kempf seinen Plan vor.

«Und damit machst du nun uns alle zu Verdächtigen!?», fragt Simone Felber ungläubig.

«Ich mache gar niemanden von euch zu Verdächtigen! Im Gegenteil: Ich glaube nicht, dass überhaupt etwas gestohlen wurde von Sybilles Pult. Die ganze Aktion dient einzig zu eurer Entlastung!»

«Darfst du das überhaupt?»

«Was soll ich nicht dürfen? Ich bin schliesslich verantwortlich für den ganzen Laden hier!»

«Na dann mach mal halblang», tönt es von nebendran.

Ronald Kempf fährt herum. Wer kommt ihm so frech? Hoppla, da sitzt der Datenschutz-Basilisk und hält den Kopf schräg: «Dann erzähle doch mal, was du da jetzt tun willst.»

«Endlich mal für Ordnung sorgen! Diejenigen erwischen, die andere bestehlen oder andere beschuldigen, sie bestohlen zu haben!», enerviert sich Ronald Kempf.

«Sachte!», versucht der Datenschutz-Basilisk zu beruhigen. «Eine Videoüberwachung darf nicht einfach so nach Lust und Laune eingerichtet werden.»

«Was heisst da ‹Lust›? Ich habe eben keine Lust mehr auf solche Sauereien!»

«Also dann reden wir mal Klartext: Eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz darf nicht einfach vom Vorgesetzten installiert werden. Das wäre eine unzulässige Mitarbeiterüberwachung und hätte disziplinarrechtliche oder sogar strafrechtliche Konsequenzen.»

 

Die Polizei darf – aber ich nicht?

«Aha – aber die Polizei darf einfach drauflos filmen und der Teamleiter im Erziehungsdepartement auch! Und wenn ich ein Delikt aufklären will, dann kommst du und behauptest, das gehe nicht!»

Der Datenschutz-Basilisk schüttelt den Kopf: «Nein, die Polizei darf das auch nicht einfach. Für die Überwachung zum Beispiel der Polizeiposten hat sie gesetzeskonform ein Reglement. Wenn sie einen Demo-Zug filmt, dann darf sie das nur, wenn die Voraussetzungen aus dem Polizeigesetz erfüllt sind. Und der Teamleiter mit dem Liebesnest, der eine Mitarbeiterin überwacht hat, durfte das auch nicht – er wurde ja auch fristlos entlassen.».

«Aber wie ist es, wenn er ein Delikt aufklären will?», will Simone Felber ihrem Chef zu Hilfe kommen.

«Wenn es wirklich ein Strafdelikt war, dann gehört die Sache zu den Strafverfolgungsbehörden. Aber dein Chef hat ja eher den Verdacht, dass gar nichts weggekommen ist. Worum ging es denn, was das gestohlen worden sein soll?»

«Ein Bijou, die kleine goldige Fasnachtsplakette! Und das kostet doch immerhin hundert ...»

«Aber», unterbricht ihn Simone Felber, «das Bijou hat sie doch wieder gefunden! Sie hatte es am Vortag in ihre Handtasche getan – das hat sich doch längst erledigt!»

«Frauen und ihre Handtaschen!», stöhnt Ronald Kempf.

Simone Felber verdreht ihre Augen: Der mit seinen Vorurteilen!, denkt sie, und der Datenschutz-Basilisk lässt die beiden wieder allein.